Mittwoch, 7. Dezember 2016
Der Sinn des Lebens (Prolog)
"Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt, sagt die Welt, dass er zu früh geht.
Wenn ein Mensch lange Zeit lebt, sagt die Welt, es wird Zeit, dass er geht." - behaupten jedenfalls die Puhdys.
Und noch drei Namen, um ihre Verwirrung zu vervollständigen: Mouhanad Khorchide, Fidel Castro und Nico Rosberg.
Ihre wahrscheinliche Reaktion: kenn' ich nicht, gerade gestorben und - oh nein! er wird doch wohl nicht...? Keine Angst, Nico Rosberg lebt und erfreut sich bester Gesundheit. Obwohl sein angekündigter Rücktritt in der Lesart einiger Zeitgenossen einem gesellschaftlichen Selbstmord gleichkommt.
Und was hat das jetzt mit einer ostdeutschen Rockband, einem verstorbenen Revolutionsführer und diesem (wer zum Teufel ist?) Khorchide zu tun?

Es geht um den Sinn des Lebens!

Während Rosberg und Castro wohl nicht weiter vorgestellt werden müssen, sind die Puhdys wahrscheinlich nicht jedem geläufig.
Durch systembedingte Einschränkung ihrer Freiheit stimuliert, hatten sie es (wie etliche andere Bands auch) musikalisch geschafft, sich mit der Sinnhaftigkeit unseres Daseins auseinander zu setzen. Sie kommen nämlich wie ich aus jenem Teil Deutschlands, der 28 Jahre lang (zu Recht) eingezäunt war. Man weiß schließlich nie, wie Experimente ausgehen! Außerdem kann man nur Grenzen überwinden, wenn welche da sind.
Und gerade um dieses "da sein" geht es mir.
Wozu bin ich da?

Wenn es nach dem Islamforscher Mouhanad Khorchide geht, der in seinem Buch >>Gott glaubt an den Menschen<< den (aus meiner Sicht) erfolglosen Versuch unternimmt, den Islam als Keimzelle des Humanismus zu verkaufen, besteht unser gottgewolltes Dasein nur zu dem Zweck, seine göttliche Botschaft von Liebe und Barmherzigkeit mit Leben auszufüllen und damit im partnerschaftlichen Diskurs eine relative Annäherung an seine absoluten Eigenschaften zu erreichen.
Ein furchtbar langer Satz, der auch noch unnötig ist, weil ich mit den theologischen Tricksereien, Jahrhunderte alte Glaubensrichtlinien in die Gegenwart zu retten, einfach nichts anfangen kann. Und das gilt nicht nur für den Islam!

Bei Fidel Castro kann und wird eine Beurteilung seines Lebenswerkes einige Zeit in Anspruch nehmen. Da durch sein Ableben keine weiteren Aktivitäten zu erwarten sind, kann grundsätzlich festgehalten werden, dass sein Leben einen Sinn hatte, da es einem klar definierten Ziel folgte. Ob dieses Ziel (die Errichtung eines sozialistischen Staates auf der kleinen Karibikinsel) erreicht wurde oder sich in die Reihe der "gut gewollt aber schlecht gemacht" Versuche einreiht, braucht ihn nicht mehr zu interressieren. Er hat auf jeden Fall Spuren hinterlassen.

Der geschichtliche Fußabdruck von Nico Rosberg wird mit Sicherheit unbedeutender sein. Seine Entscheidung, auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Champion abzutreten, ist trotzdem bemerkenswert.
Auch er hat sein bisheriges Leben einem klaren Ziel untergeordnet - (wie sein Vater Keke) Formel1-Weltmeister zu werden!
Ob es als "sinn"voll angesehen werden kann, 50 Runden im Kreis zu fahren und dafür unanständig viel Kohle zu kassieren, soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Aber die Kunst, ein fest gesetztes Ziel durch systematische Arbeit zu erreichen, nötigt mir schon Respekt ab. (Wie z.B. der Lebens-Masterplan eines Arnold Schwarzenegger!)
Nico Rosberg hat zwei Gründe angegeben, warum seine Entscheidung genau jetzt richtig ist. Erstens - er hat sein Ziel erreicht, seinen Kindheitstraum erfüllt. (Es wird interressant sein zu beobachten, wie er diese plötzliche Ziellosigkeit verkraftet.) Zweitens - er hat seine Prioritäten neu geordnet. Familie vor Beruf! Eine Entscheidungsmacht, um die ihn viele beneiden. (Man muss sie sich schließlich auch leisten können!)

Zurück zum Thema.
Reicht es aus, wenn ich selbst mein Leben als sinnvoll erachte oder ist die (wie bei den Puhdys thematisierte) Betrachtung von außen als Gradmesser höher zu bewerten?
Kann und muss mein Leben überhaupt einen Sinn haben?
Muss ich mich für mein Dasein rechtfertigen?
Ich kann schließlich nichts dafür, dass ich existiere!
Meine Eltern haben eine biologische Kettenreaktion ausgelöst, an deren Ende ein vernunftbegabtes Wesen steht, dass dummerweise über genügend Hirnvolumen verfügt, um lästige Fragen stellen zu können.

Wer sich genauso fühlt, ist herzlich eingeladen, mich auf diesem (nennen wir es) Selbstfindungstrip zu begleiten.

Da ich keinem festen Ziel folge, ja nicht einmal weiß, wohin diese Reise führen könnte, ist der Prozess "ergebnisoffen".

Wie Ernie und Bert einmal vergnüglich vorgeführt haben, geht es um die Frage, ob man "hier" ist oder "da".
Also ich bin hier. (Sonst könnte ich ja diese Zeilen nicht schreiben!)
Gleichzeitig bin ich aber auch da.

Also - einfach so da.

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